15. Januar 2017

Januarvollmond und immer rarer werdende griechische Kaikis

Im Januar bei Vollmond muss ein Baum gefällt werden, soll aus ihm ein Kaiki werden - ein traditionelles griechisches Holzboot so wie sein Karavoskaro namens Chryssa - ,weiß Ioannis Prasinos, seiner Zunft καραβομαραγκός (karavomaragkós = Schiffsschreiner). In der vierten Generation übt seine Familie dieses rund 2500 Jahre alte griechische Handwerk aus. Ein Handwerk, das es zu bewahren gilt, soll über Jahrhunderte gesammeltes und erprobtes Wissen nicht verloren gehen.In Salamina betreibt Prasinos ein καρνάγιο (karnajo), eine Werft für traditionelle griechische Boote, wo nicht nur neue Holzboote gebaut, sondern auch Kaikis repariert werden. Die meisten davon werden für den Fischfang benutzt, manche auch zum Lasten- und neuerdings Touristentransport. Es gibt viele verschiedene Typen klein und groß:
Am weitesten verbreitet ist das sich selbst bei rauher See bewährende, gut auch große Wellen parierende trechandíri (oder trehandiri, je nachdem wie man die griechische Schrift transkribieren will), für das minoische Galeeren Modell standen und das wohl mit dem türkischen Tirhandil verwandt ist. Getakelt mit Mast, Vor- und Gaffelsegel wird es zum ránda. Ein typisches Lastenkaiki ist das breitere, trägere pérama. Recht klein und meist offen ist der varkalás
Die Traditional Boat Association hat sich dem Erhalt dieser vielfältigen Exemplare traditioneller griechischer Handwerkskunst verschrieben und organisiert Initiativen, Bootsschauen und Fotowettbewerbe. Denn nach ihren Untersuchungen, sind die Kaikis vom Aussterben bedroht. Waren noch vor zwanzig Jahren rund 14.500 griechische Holzboote unterwegs, die die größte Fischereiflotte Europas ausmachten, so wurden inzwischen davon schon rund 12.500 zerstört. Dieses Unheil hatte 1996 begonnen, seinen Verlauf zu nehmen, als EU-Regeln zur Verhinderung einer Überfischung in Kraft traten und tausende griechischer Fischer für Ausgleichszahlungen ihre Lizenzen abgaben sich damit einverstanden erklärten, ihre Boote zu zerstören.

Quelle: Englischer Online-Auftritt der griechischen Tageszeitung kathimerini

14. Januar 2017

Lammbraten - Arni sto Fourno

Lamm aus dem Backofen 

mit Wurzelgemüse und Kartoffeln

Griechischer Lammbraten - Eine Köstlichkeit!

Haltet danach in den Tavernen Griechenlands Ausschau ...

Αρνί (oder Αρνάκι) φούρνου (oder στο φούρνο) steht dort auf der Speisekarte geschrieben oder wird vom Wirt angepriesen.

Ausgesprochen wird das:
Arní  (bzw. Arnáki) fúrnu (bzw. sto fúrno)

Serviert wird Lammbraten in Griechenland meist mit Kartoffeln [auf Griechisch: πατάτες (patátes) oder πατατούλες (patatúles)]. Letzteres heißt eigentlich "Kartoffelchen", ist also eine Verkleinerungs- bzw Koseform. Denn die Griechen lieben ihre Leibgerichte so, dass die für sie gern die Koseform benutzen. Darum auch oben entweder prosaisch arní oder liebevoll arnáki).

Unbedingt probieren, auch wenn ihr vielleicht daheim kein Lamm mögt! Griechisches Lammfleisch ist köstlich. Es sind die natürliche, karge, großenteils aus Kräutern und Macchia bestehende trockene Nahrung griechischer Lämmer und ihre natürliche Lebensweise, die ihr Fleisch so lecker machen. Dazu kommt natürlich die geschickte, geduldige, gut gewürzte Zubereitung. 

.... oder versucht Euch selbst an Lammbraten

Hier das griechischen Tavernenwirten und Hausfrauen abgeschaute Rezept in meiner im kleinen Rahmen des deutschen Privathaushalts erprobten Lieblingsversion mit Wurzelgemüse:








Zutaten für 3-4 Personen:
  • 1 Lammschulter mit Knochen von ca. 1 bis 1,3 kg (mein Lieblingsteil! Ersatzweise: Lammhaxe. Ist das Teil kleiner, verringert sich die Garzeit)
  • Olivenöl
  • 4-5 Möhren
  • 4-6 Kartoffeln
  • 1 Petersilienwurzel (nicht unbedingt nötig)
  • 1/2 Knolle Sellerie 
  • Salz und Kräuter (frische Petersilie, Lorbeer, Thymian, Oregano und Rosmarin)
  • 2-3 Zehen Knoblauch

Zubereitung: 
  • Backofen auf 170 °C heizen
  • Möhren, Petersilienwurzel und Sellerie in kleine Würfel schneiden und in Olivenöl anbraten
  • Knoblauch, Lorbeer, Oregano, Thymian und Rosmarin dazugeben
  • die gewaschene und gesalzene Lammschulter auf die Kräuter und den Knoblauch legen
  • Kartoffeln rundum in der Pfanne / Kasserole verteilen
  • Weißwein aufgießen, so dass alles zumindest nahezu bedeckt ist
  • das Ganze mit Deckel in den Backofen schieben und bei 170 °C ca. 3 Stunden braten. 
  • Nach 3 Stunden Deckel entfernen, Temperatur auf 200 °C erhöhen und weitere 15 Minuten braten, bis die Haut schön hellbraun und resch ist.
  • Tranchieren, mit dem Gemüse und den Kartoffeln anrichten und frische Petersilie darüber streuen


 

6. Januar 2017

Zeremonie der Großen Wasserweihe am 6. Januar

Während am 6. Januar im Westen der Dreikönigstag gefeiert wird, wird im orthodoxen Griechenland der Taufe Christi und Offenbarung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gedacht.  Theofania, Epifania (Epiphanie) oder Fota heißt das Fest hier. Neben Gottesdiensten und Prozessionen gehört zum Zeremoniell des Festtages die große Wasserweihe, bei der ein Kreuz in ein Gewässer geworfen wird, nach dem mutige Schwimmer tauchen, so wie hier auf Rhodos

4. Januar 2017

Das gelbe Dossier von M. Karagatsis

DAS GELBE DOSSIER von M. Karagatsis war meine Lektüre während der Feiertage und dem Jahreswechsel

Über 600 Seiten Lesevergnügen liegen hinter mir.

Es ist ein vielschichtiger, raffinierter, komplexer Gesellschaftsroman, den ich gerade zugeklappt habe. Damit wirkt das bereits 1956 in Griechenland erschienene und erst letztes Jahr in deutscher Übersetzung veröffentlichte Werk literarisch kunstvoll und modern. Sein Aufbau ist verschachtelt, aber so klar konstruiert, dass man als Leser seine Raffinesse genießt, den Faden aber nie verliert.

Drei Literaten im Mittelpunkt

Es geht in erster Linie um drei Schriftsteller: Um den Autor, der sich selbst zu einer der Romanfiguren macht, um den "Satan" Manos Tassakos und den "Erzengel" Kostis Roussis.

Ein Krimi, eine gelebte Philosophie und ein teufliches Experiment

Ausgangspunkt ist der als Selbstmord inszenierte Tod des Manos Tassakos im Athen des Jahres 1938. 16 Jahre danach bekommt der Autor Karagatsis ein dickes Dossier mit gelbem Deckel und der Anmerkung, er solle aus dem darin gesammelten Material den Roman machen, den Tassakos eigentlich selbst hätte schreiben wollen, wäre ihm nicht der Tod zuvorgekommen.

Das satanische an Tassakos ist, dass er alle übrigen Romanfiguren - die mit ihm und Roussis eng durch ein Geflecht von Abhängigkeiten, Emotionen und Leidenschaften verbunden sind, weniger als menschliche Wesen, denn als Material wahrnimmt - Experimentiermaterial für sein Romanprojekt. Um größtmöglichen Nutzen daraus zu ziehen, gilt es an deren Lebensbedingungen zu drehen und zu schrauben und sie gegeneinander auszuspielen, um die These dass unter den Leidenschaften der menschlichen Natur die Besitzgier an oberster Stelle steht experimentell zu untermauern oder zu widerlegen und daraus schließlich einen meisterlichen experimentellen Roman zu zimmern. Da er nicht nur Schriftsteller ist, sondern Recht studiert hat und als Rechtsanwalt und Anlageberater für seine "Versuchskaninchen" fungiert, ist ihm das ein Leichtes.

Tassakos zum Satan und Roussis zum Erzengel ernannt hat des einen Geliebte und anderen spätere Ehefrau Maria Petropoulou, ein mitgiftloses Opfer der in jenen Jahren herrschenden patriarchalischen Gesellschaft, das sich allerdings sehr wohl zu wehren und seinen eigenen Weg zu gehen weiß. Vor der Zeit mit Maria hatte vor allem Roussis auch ganz andere Züge gezeigt. In einem anderen Erzählstrang fließt dessen von Schicksalsschlägen geprägte Vorgeschichte ein, die schließlich seine rätselhafte Handlungsweise und Morphiumabhängigkeit erklärt. Tassakos hatte man zuvor als jemanden erlebt, der konsequent und rücksichtslos seine Philosophie lebt, eine von Nietzsche geprägte Philosophie, mit der er eine Einstellung untermauert, der jedes Mittel recht ist, wenn der Zweck es erfordert und die notfalls über Leichen geht.

Ein enger Kreis an Romanfiguren

Um diese zentralen Figuren gruppieren sich Marias Vater sowie der Neffe, der Sohn und der Arzt von Roussis. Eine Haushälterin führt das Zepter im Hause Roussis, bis man es ihr entreißt. Ein langweilige Reden schwingender Professor sowie der Roussis' Verleger gehören zu den wenigen Gästen, die Roussis einmal die Woche abends besuchen. Eine weitere Geliebte von Tassakos tritt auf. Damit schließt sich der Kreis auch schon fast. Hauspersonal, Notar und Geschäftspartner spielen eine marginale Rolle, wobei als interessant zu vermerken ist, dass ein Geschäftspartner von Roussis' Sohn den aus anderen Werken des Autors bekannten Namen Junkermann trägt. Ansonsten bleibt der Kreis der agierenden und vor allem viel debattierenden Figuren eng.

Industrie statt Bourgeoisie

"Es geht um die Bewohner der 'Burg von Athen', wie man damals den Stadtteil Kolonaki am Fuße des Lykavittos-Hügels nannte, in dem die reichen Griechen wohnten", verspricht der griechische Schriftsteller Petros Markaris im Vorwort. Meine daraus hergeleitete Hoffnung, mehr über dieses Viertel und über Leben und Gepflogenheiten der reichen Athener Bourgeoisie im Handlungszeitraum der 1920er­ und 1930er­Jahre zu erfahren, blieb allerdings enttäuscht. Über weite Strecken spielt die Handlung in geschlossenen Räumen, großenteils im luxuriösen, mit immensen Kunstschätzen ausgestatteten Haus von Roussis, in dem er mit seinem Neffen lebt. Roussis verlässt es zunächst gar nicht. Besuche finden nur an einem Abend in der Woche statt, allerdings stets von den Personen des ewig gleichen engen Kreises. Erst gegen Ende, nachdem er die viel jüngere Maria geheiratet und mit deren Hilfe vom Morphium losgekommen ist, geht er mir ihr nach draußen und schnuppert hinein in eine ganz andere Welt als die des Athener Nobelviertels Kolonaki - die Welt der aufkeimenden Industrialisierung mit ihren rauchenden Schloten und lärmenden Maschinen. Dieser Aspekt Griechenlands wird plastisch beschrieben. Er fasziniert Roussis. "Die Pressen vergleicht er mit den Fäusten weiser Giganten, die dem schmiegsamen Stahl in der Gussform Gestalt verleihen.Von den Lampen in der Trockenhalle erzählt er wie von dreihundert kleinen Sonnen, symmetrisch angeordneten Wärmequellen."

Von Anfang bis Ende ein spannendes, lohnendes Leseerlebnis

Letztendlich war es mir also nicht in dem erhofften Maße gelungen, durch das Buch in das Milieu der Athener Bourgeoisie des Handlungszeitraums einzutauchen. Dafür brachte mir das "Das gelbe Dossier" andere, unerwartete Lesefreuden. Der Spannungsbogen riss nie ab, während ich den oft unerwarteten Entwicklungen und Verwicklungen der Protagonisten folgte, die so detailreich, einfühlsam und plastisch beschrieben sind, dass ich sie gleichsam vor Augen hatte, als ich von ihrem Leben und Streben, ihren Leidenschaften, Machenschaften, Hoffnungen und Enttäuschungen las und ihren geistreichen Debatten über Philosophie, Moral, Religion, Recht, die Natur des Menschen, Kunst, Literatur, Staat und Gesellschaft beiwohnte.

Nun bin ich gespannt auf das nächste, ebenfalls 2016 auf Deutsch erschienene Buch des Autors, das auch schon neben meinem Lesesessel liegt: Oberst Ljapkin